Direkt nach der Einführung eines neuen Systems, direkt nach dem Provider- oder Organisationswechsel, immer dann wenn Systeme, Organisation oder die Verantwortlichen zu einem größeren Thema verändert werden, ist die Verwirrung am Anfang groß. Auch wenn alles wie erwartet funktioniert und es keine besonderen Ausfälle, Performance oder Berechtigungsprobleme gibt, sollten die Anwender und Nutzer nicht alleine gelassen werden. Hierfür dient der intensive Support der Hypercare Phase, welcher direkt an das Migrationswochenende anschließt.
Inhaltsverzeichnis
Wie lange dauert der Hypercare?
Die Hypercare Phase sollte nur für kurze Zeit gelten, denn der neue Supportprozess nach der Veränderung sollte sich ebenfalls etablieren. Daher ist es empfehlenswert den Zeitraum nicht in die Länge zu ziehen. Dennoch ist die Länger des Hypercares abhängig davon, welche Veränderungen stattfinden:
Umzug eines Systems / einer Anwendung, keine Veränderungen in der Anwendung | 1 Tag |
Versionsupdate einer wichtigen Anwendung, interne Nutzerbasis | 2-3 Tage |
Wechsel auf eine neue Anwendung, interne Nutzerbasis oder neuer Vor-Ort Dienstleister | 1 Woche |
Vollständiger Wechsel des Dienstleisters, Rechenzentrum, Anwendung und Vor-Ort | 1-2 Wochen |
Wechsel einer großen extern genutzten Anwendung, wie z.B. eines Online-Banking Systems | 4 Wochen |
Zu beachten ist jedoch, dies sind Zahlen zur Orientierung. Häufig gibt es noch besondere Anforderungen, den intensiven Support der Hypercare Phase anders auszugestalten. Migrieren Sie z.B. in Serie und dies ist die wiederholte Migration kann der Hypercare kurz ausfallen. Haben Sie einen Big-Bang und ändert sich viel zum ersten Mal plane Sie lieber einen längere Phase ein.
Außerdem verlängert sich der Hypercare bei signifikanten Störungen und/oder besonders hoher Nutzung des Supports. Hier muss bei Bedarf angepasst werden. Läuft alles besonders gut und ruhig, kann auch vorzeitig in den normalen Support übergeben werden.
Wie organisiere ich den Hypercare?
Direkt nach einer größeren Veränderung ist der Bedarf an besonderem Support auch besonders hoch. Trotz intensivem Test der Veränderung reagieren Anwendungen und Infrastruktur auf tatsächliche Nutzer anders als auf simulierte Last-Tests, die Anwender müssen sich an eine neue Anwendung gewöhnen und finden Ihre üblichen Funktionen nicht, oder fachliche Inhalte sind anders abgebildet und treffen nicht jeden tatsächlichen Use-Case in der echten Nutzung.
Dazu ist auch der – manchmal neue – Support mit der Veränderung noch nicht voll vertraut. Die Anbindung eines neuen Dienstleisters läuft noch nicht wie geplant automatisiert, sondern über eine manuelle Schnittstelle, die Service Desk Mitarbeiter sind noch nicht so geübt mit den neuen Prozessen und die Anwender, die sich sonst an einen Kollegen wenden, rufen jetzt den Service Desk an. Bei externen Anwendungen können Kunden schnell ein ganzes Call-Center lahmlegen, wenn die Planung des Hypercares nicht ausreichend war.
Bei der Planung und Organisation sind folgende Punkte zu beachten:
- Das Hypercare Team
Das Projektteam stellt die notwendigen Mitarbeiter zum Hypercare. Hierbei ist zu beachten, dass diese häufig gerade aus dem Migrationswochenende kommen. Hier ist ein passender Schichtplan zu erstellen. Achten Sie darauf, dass in jedem Team das passende Know-How zusammengestellt ist. - Kommunikations- und Eskalationswege
Wie erreicht ein Anwender den Support und wie erreicht der Support das dedizierte Hypercare Team? Wie findet eine Eskalation an das Projektmanagement statt, ohne dass dies ggf. überwältigt wird? - Erreichbarkeit des Hypercare Supports
Kommunikation des Supportweges an die User und/oder dem bestehenden Service Desk, Einplanung des erhöhten Aufkommens. - Hypercare Call / Team Rooms / Taskforce
Zu allen wichtigen Themen sollten zur Problem Behebung die Experten entweder schnell zusammen kommen können oder wenn möglich direkt und dauerhaft in einem (virtuellen) Raum zusammen sein. Bei großen Veränderungen sind hier verschiedene Teams einzuplanen. - Desk-Walker und Vor-Ort Teams
Wenn eine große Zentrale oder ein dedizierter Betrieb betroffen ist, kann der Einsatz eines Vor-Ort Teams hilfreich sind. Hierbei können z.B. für einzelne Etagen / Bereiche dedizierte Supportkräfte eingeplant werden. Besonders im Produktionsbereich kann dies erforderlich sein. - Skalierbarkeit
Auch wenn wir im Projekt auf den Erfolg hinarbeiten, müssen wir Fehlschläge mit einkalkulieren. Klären Sie bei wichtigen Migrationen in der Planungsphase, wie der Hypercare ausgeweitet werden kann. Kontaktieren Sie Call-Center Dienstleister vorab, planen Sie den Einsatz von KI Chat- oder Telefon-Bots ein. - Kommunikation
Hier gilt die Maxime, Mehr ist Mehr. Beginnen Sie Ihre Kommunikation zur Veränderung frühzeitig und kommunizieren Sie oft. Kommunizieren Sie über unterschiedliche Medien und Wege. Eine einzelne Intranet Meldung ist üblicherweise nicht ausreichend. Gehen Sie in Jour-Fixe der Organisation, schicken Sie Mails und Flyer, stellen Sie einen Stand in die Eingangshalle und verteilen Sie Marketing Material.
Hypercare und Dienstleister
In den meisten Dienstleistungs- und Serviceverträgen steht Hypercare als eine Leistung des Dienstleisters, leider ist dies meist nicht ausreichend definiert. Daher ist klar abzustimmen, welche Leistungen, in welchem Umfang und für wie lange der Dienstleister übernimmt. Auch sind feste Termine der Hypercare Phase in Verträgen meist hinderlich, besonders dann, wenn wie oft schon früh Teile der Leistung migriert, bzw. in Betrieb genommen werden.
Bei Dienstleisterwechsel müssen Sie häufig auch den abgebenden Dienstleister in die Hypercare Phase mit einbeziehen. Hier ist mindestens eine Bereitschaft erforderlich um auftretende Probleme schnell beheben zu können.
Wie in der Planung beschrieben, ist es wichtig die Skalierbarkeit sicherzustellen. Das bedeutet, dass Sie mit Ihrem Service Desk Dienstleister klare Abstimmungen treffen müssen.
Eine der wichtigsten Aufgaben des Hypercare Supports ist es “Ticket-Ping-Pong” zu vermeiden. Bei vielen Systemen und Anwendungen sind heutzutage viele Leistungseinheiten, häufig auch von unterschiedlichen Dienstleistern beteiligt. Stellen Sie mit dem Hypercare Team(s) sicher, dass alle Beteiligte auch verantwortlich sind.
Vorbereitung des Hypercares
- Potentielle Schwachstellen festlegen
Listen Sie alles auf, was beim Start Störungen und Probleme verursachen kann. Diese Liste wird während der Abstimmung weiter wachsen, wenn weitere Abhängigkeiten aufgedeckt werden. Bei einem guten Service Design sollten Sie dies in den fertigen Dokumenten haben – im realen Leben müssen Sie diese dringend aktualisieren. Dies betrifft häufig auch Fachbereiche, welche ggf. Vorgänge manuell bearbeiten müssen, welche ansonsten automatisiert sein sollten. - Identifizieren der Dienstleister
Hier müssen Sie interne eigene Teams, Teams beim neuen und alten Dienstleister, sowie weitere dienstleistende Dritte beachten. Auch hier sind wieder die Fachbereich mit einzubeziehen und Szenarien aufzustellen um eine vollständige Abdeckung zu erreichen. - Priorisieren der Schwachstellen
Wie Wahrscheinlich ist ein Problem in dem jeweiligen Bereich und wie kritisch wäre dies? Dies resultiert in einer einfachen Matrix (z.B. 3 x 3). Für die Hoch-Risiko Themen sollte dauerhaft ausreichend technischer Support im Hypercare direkt beteiligt sein, für mittleres Risiko reicht eine direkte Erreichbarkeit und Zusicherung einer hohen Priorität und für niedriges Risiko ist eine gesicherte Rufbereitschaft (mit Rückrufzeiten) meist ausreichend. - Kapazitätsplanung
Mit wie viel Call-Aufkommen ist zu rechnen und an wie vielen parallel auftretenden Störungen muss gearbeitet werden? Welche Mengen an manuell zu bearbeitenden Vorgänge sind in welchem Szenario zu erwarten. Ihre Ressourcen sollten hierbei mindestens die mittlere Einschätzung direkt abdecken können, planen Sie jedoch auch eine Skalierung mit ein. Es gibt ausreichend Beispiele großer Migrationen, welche wochen- und teilweise monatelang für erhöhtes ein Volumen an Beschwerden, Störungen und manuellen Vorgängen gesorgt haben- - Aufstellung der Teams
Stellen Sie benannte Teams auf, welche sich um dedizierte Themen kümmern. Beispiele hierfür sind- Call Annahme & Routing
- Technische Störungsbearbeitung (ggf. mehrere Teams)
- Problembehebung
- Eskalationen
- Vorgangsbearbeitung
- Management Information
- Benennen der Verantwortlichen und Teilnehmer
Aufstellen aller Teilnehmer der Teams, Organisation von Schichtplänen und wo nötig und möglich Vertretungsplänen. Aufnahmen aller wichtigen Kontaktinformationen. Versuchen Sie auch bei allen Dienstleistern direkt Kontaktdaten zu erhalten, damit der Hypercare Support am üblichen Ticketaufkommen vorbeikommen kann. - Technische Ausstattung vorbereiten
Eine gute Vorbereitung in diesem Bereich erleichtert die Hypercare Phase. Nicht selten ist der unvorbereitete Umgang mit einer problematischen Migration der Quell eines “Shit-Storms”. Nichts verärgert Ihre Kunden mehr, als ein über Stunden und Tage nicht erreichbarer Service Desk. Stellen Sie sicher, dass…- … Call Annahme Kapazitäten ausreichen und besonders Skalierbar sind. Bereiten Sie IVR Ansagensysteme und wenn möglich KI Telefonbots für verschiedene Situationen vor.
- … dedizierte Störungs-Teams dediziertes und unabhängiges Routing ohne Bottleneck haben. Dies kann in kleinem Umfeld der interne telefonische Kontakt sein, ist jedoch häufig durch passendes Incident Routing geregelt. Legen Sie passende Assignment Gruppen dafür an und klären den Workflow.
- … Status-Dashboards vorbereitet sind, um Ihr Management informiert zu halten. Daten zu Systemstatus, Auftragsmengen, Call Volumen und/oder Incidentzahlen erleichtern Ihnen die Entscheidungsfindung.
- … pro-Aktive Kommunikationswege bereit sind. Stellen Sie sicher, dass Sie Ihre Anwender mit Informationen versorgen können. Dies vermeidet Calls.
- … ausreichend Räume bereit stehen. Ob physisch oder virtueller War-Room, ähnlich wie bei Migrationen benötigen Sie Platz um die wichtigen Teams zusammen zu holen.
Im Hypercare
Wenn Ihre Migration gut gelaufen ist, kommt Ihnen der Aufwand zu Vorbereitung des Hypercares leicht übertrieben vor. Sehen Sie dies als Luxus Problem – ein vorzeitiges Beenden dieser Phase und eine saubere Übergabe in den Regelbetrieb signalisiert allen Teilnehmern der Migration: “gut gemacht”.
Leider ist dies nicht immer der Fall. In den meisten Fällen sind Sie mit der hier aufgeführten Vorbereitung gut ausgestattet und können wenn Sie die Skalierbarkeit Ihrer Supportorganisation sichergestellt haben, auch mit größeren Schwierigkeiten umgehen.
Trust in Change hilft Ihnen gerne Ihren Hypercare zu planen, kontaktieren Sie uns.